Historie und Gebäude der Blumhardt-Gemeinde

Geschichte der Gemeinde

Schon seit dem Herbst 1956 wurden zum Erntedankfest in einem Klassenraum der Max- Pechstein-Schule (heute Wetzlarschule) als Bestandteile der Britzer Dorfkirchengemeinde wöchentlich Gottesdienste gehalten und Konfirmandenunterricht erteilt.

Als Gemeindebezirk „Windmühle“ ging es dann ins nächste Jahr, in dem man das Souterrain im Hause Buckower Damm 126, einem ehemaligen Bäckerladen, als Gottesdienstraum bezog. Als die alte Bäckerei am Buckower Damm aufgegeben wurde, stellte die Bäckersfrau sie der Gemeinde zur Verfügung.

Hier fanden bald auch die ersten Gottesdienste statt. Pfarrer Stollreiter, als Pfarrer in der Dorfkirche Britz, war für den Gemeindebezirk zuständig und er schlug aus Verehrung für Johann Christoph Blumhardt diesen als Namenspatron vor (siehe ab Seite 24). Auf einem geliehenen Harmonium wurden die Lieder begleitet und der Ruf der Glocken ertönte vom Tonband. 4000 Menschen umfasste damals die Gemeinde. Zu jener Zeit begann bereits die Aktivität vieler, die sich Gedanken machten, wie es weitergehen sollte. Allein mit dem Namen Johann- Christoph-Blumhardt-Gemeinde konnte es ja nicht getan sein. Eine Kirche wollte man, einen festen Raum als Mittelpunkt für das aufblühende Gemeindeleben. Und da auch schon in jenen Tagen zu allem, was man baulich errichten wollte, das Geld eine unabdingbare Voraussetzung war, wurde die in jenen Jahren in der Landeskirche übliche Praxis der „Kirchbau- Vereine“ aufgegriffen und man versuchte, überall Mittel und Sachspenden zu beschaffen. In die Planungen für ein Gemeindezentrum platzte die erfreuliche Mitteilung, dass die „JCBG“ als Empfängerin eines Schwedenhauses des „Hilfskomitees für Deutschlands Kinder“ vorgesehen ist.

So war der erste Schritt getan und man konnte etwas Sehenswertes vorweisen. Zusammen mit dem im Bau befindlichen Gemeindesaal, in dem nach seiner Fertigstellung die Gottesdienste später stattfanden, nahm die räumliche Selbständigkeit immer konkretere Formen an. Das Geläut, welches auch heute noch die Gemeinde zum Gottesdienst ruft, hatte seinen ersten Standort direkt neben dem Gemeindehaus. Am 16. März 1960 trafen sich alle Interessierten auf Initiative des Gemeindekirchenrates zur Gründungsversammlung eines Kirchbauvereins. Eine Satzung wurde beraten. Sogar der erste kleine Beitrag von 81,00 DM konnte verbucht werden. In den darauffolgenden Jahren wuchs die Zahl der Mitglieder dieses Vereins und so konnte auch mit landeskirchlicher Hilfe die neue Kirche gebaut werden.

Am 26. 4. 1964 wurde der Grundstein für die neue Kirche an der Ecke Buckower Damm / Schlosserweg gelegt, dem am 29.7.1964 das Richtfest folgte. Am 20.12.1964 fand dann die Einweihung der neuen Kirche durch Bischof Dibelius statt. Das traditionelle Geläut der Blumhardt-Gemeinde wurde in den neuen Kirchturm eingebaut. Obwohl nun eigentlich Sinn und Zweck des Kirchbauvereins erfüllt waren, lehnten 90 % seiner Mitglieder die Auflösung ab. Inzwischen hat der „Förderkreis“ eine neue Satzung, in der aber immer noch als Hauptziel die bauliche Unterstützung der „JCBG“ an erster Stelle steht. Ob regelmäßig oder sporadisch, ob als förderndes oder aktives Mitglied, ist die Anteilnahme bis zum heutigen Tag vorhanden. Und es ist nicht zufällig, dass neben den Mitteln des Fördervereins auch die „EDG-Stiftung“ (die der Evangelischen Darlehnsgenossenschaft Kiel angeschlossene Vereinigung) mit einer großen Summe zur Gestaltung des Kinderspielplatzes für unsere Eltern- Kind-Gruppe beigetragen hat. Der Förderverein der Blumhardt-Gemeinde wurde viele Jahre wesentlich durch seinen Schatzmeister Dieter Grützmann geprägt. Die Gemeinde verdankt Dieter Grützmann, der auch langjähriges Mitglied des Gemeindekirchenrates war, viele positive Impulse. Leider verstarb er am 26.Oktober 2014 im Alter von 75 Jahren.

Herbert Stollreiter ( Pfarrer 1956 – 1971 )

Dieser Beitrag basiert auf einem Interview, welches Frau Gabriele Henschel zum 40. Gemeindejubiläum mit Frau Marie Mellmann geführt hat.

Pfarrer Stollreiter wurde etwa 1954 in der Dorfkirche Britz eingeführt. Wahrscheinlich war er vorher in der Stadtmission tätig. Schon ziemlich bald entstand die Idee, eine Predigtstätte zusätzlich einzurichten. Als die alte Bäckerei am Buckower Damm aufgegeben wurde, stellte die Bäckersfrau sie der Gemeinde zur Verfügung. Hier fanden die ersten Gottesdienste statt. Frau Mellmann, damals hieß sie noch Frau Schieberle, lernte Pfarrer Stollreiter kennen in den ersten Jahren des Gemeindeaufbaus. Sie hat ihn als lustigen, freundlichen Menschen erfahren, der immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Gemeindeglieder hatte. Allerdings erwartete er Bibeltreue, rege Teilnahme am Gottesdienst und an der Gemeindearbeit. So waren denn Herr Schieberle und später auch Herr Mellmann im Gemeindekirchenrat. Auch Frau Stollreiter war aktiv, trotz der vier Kinder, die sie beide hatten. So gab es eine Frauenhilfe, eine Bibelstunde und einen Männerkreis. Alle Gruppen hatten wöchentliche Treffs und begannen mit der Auslegung der Losung. Sie waren immer wie kleine Gottesdienste gestaltet. Die Handarbeiten der Frauengruppe wurden auf dem jährlichen Basar verkauft. In den Wohnungen Schlosserweg 8 wohnten damals eine Krankenschwester und Familie Reichert als Kirchwartsehepaar. Als Herr Schieberle krank wurde, hat Pfarrer Stollreiter ihn regelmäßig besucht. Die Schwester kam zur Pflege und brachte die Tonbänder vom letzten Gottesdienst mit. Krankenbesuche waren ein besonderes Anliegen von ihm. Pfarrer Stollreiter lebte die Nachfolge Johann Christoph Blumhardts, Trost und Zuversicht in die Krankenzimmer zu bringen. In dieser sehr schweren Zeit war Herr Stollreiter Frau Mellmanns bester Berater. Die Menschen aufzurichten, hat er als seine Lebensaufgabe angesehen. In der Bibelstunde lernte Frau Mellmann nach dem Tod ihres Mannes dann ihren späteren Mann kennen. Stollreiters gaben ihr immer viel Kraft und Hilfe. So ist auch diese Ehe mit viel gutem Zureden entstanden. Bibelstunde kann also auch Hochzeitsstiftung sein. Ehepaar Stollreiter fuhr immer mit nach Bad Sachsa. Das war die jährliche Gemeindefahrt. Viele Ausflüge haben beide begleitet. Hierbei hatte die Gemeinde viel Spaß. Pfarrer Stollreiter ging zu Gunsten von Pfarrer Giesen früher in Pension.

Traugott Giesen ( Pfarrer 1971 – 1976 )

Vor 10 Jahren schrieb Pfarrer Giesen über die Blumhardt-Gemeinde:

Das war nach fünf Jahren Genezareth am Herfurthplatz ein Aufstieg ins Glück. Dort waren zwanzigtausend Menschen, hier wohl 1800; dort waren wir fünf Pfarrer, hier endlich allein, aber zum Glück mit fitter Frau; dort Abrissviertel, hier am Rande der Gropiusstadt die kleinen Häuschen mit liebevoll gezwirbeltem Garten; dort Fluglärm, hier Vogelzwitschern; dort viele Beerdigungen, hier manche Taufen. Pfarrer Stollreiter hatte ja viel auf den Weg gebracht, das Schwedenhaus und die Pyramidenkirche gebaut; ja, da hatte die Kirche noch Geld, aus Kirchensteuern und den satten Grundstücksverkäufen an die Stadt. Fünf Jahre bauten wir Gemeinde; vom Neumarkplan kamen viele Konfirmanden, auch aus dem Kinderheim ‚Haus Buckow‘ - was freuten sich die Kinder auf die Konfirmationsurkunde, worauf ihr Name schwarz auf weiß stand und: „Gott liebt dich und braucht dich.“ Mit Jürgen Gensicke wurde ein Riesenspielplatz gebaut, sogar der Bürgermeister kam zur Einweihung, aber die herrliche Rutschbahn war arg kurzlebig. Jugendleiter Christian Duwe zog eine frische Jugendarbeit auf, manchmal gab es Prügeleien, die ältere Brüder dann schlichteten. Die Kinderkirche war ein Aktivposten. Ein kleiner Chor sprießte, ein Musikstudent aus USA hatte sein eigenes Klavier mitgebracht - plötzlich fuhr er heim, ließ aber das Musikmöbel stehen. Eine Druckerei ging pleite und wir schleppten bergeweise Papier ab, auch eine Riesenfalzmaschine, viel zu groß für den kleinen, feinen Kirchenbrief. Berühmt waren die Feste - zu Karneval, zum Sommer. Der Frauenkreis war die Seele des Vereins. Am Heiligen Abend gab es nach Krippenspiel und Christvesper um 22 Uhr an Tischen ein Stille-Nacht-Essen. Moderne Gottesdienste wurden versucht, während der Ölkrise erinnere ich mich noch an eine Podiumsdiskussion; die Wogen gingen hoch. Der Kirchen-Kaffee nach dem Gottesdienst war schmackhaft, doch das Gespräch manchmal etwas zäh, weil doch wenig Zufluss war. Sehnsucht nach Blumhardt bekomm ich immer wieder an Erntedank - dann fuhr ein Team mit Hallo durch die Siedlung und sammelte Obst, Gemüse, Blumen für den Altar ein, später wurde dann alles für „Brot für die Welt“ versteigert. Jetzt ist vieles anders, aber auch gut.

Traugott Giesen

Eugen Lemke ( Pfarrer 1976 – 1997 ) - Ein Seelsorger mit Herz

Eugen Lemke wurde im Jahr 1941 in Berlin geboren. Aufgewachsen ist er in Berlin, Stettin und im Schwarzwald. Die Jugend von Eugen Lemke war nicht immer leicht, wurde aber schließlich von einer Pflegefamilie geprägt, durch die er der Berufung zum Pfarrer nahe gekommen ist. In Tübingen und Berlin studierte er Theologie und begann dann seinen Dienst in der evangelischen Kirche. Bis 1976 war Eugen Lemke Pfarrer in der Dorfkirchengemeinde Britz und wohnte in dieser Zeit auch im Pfarrhaus in der Mohriner Allee. Ich selbst habe in seiner Dorfkirchenzeit noch bei ihm Konfirmandenunterricht gehabt, wobei er noch vor meiner Konfirmation an die Blumhardtgemeinde gewechselt ist, so dass ich nicht von ihm, sondern von den Pfarrern Claus Markus und Dieter Besier eingesegnet wurde. Aus der Konfirmandenzeit ist mir noch gut in Erinnerung, wie Eugen Lemke uns in der Mensa der Oberschule versammelte und zu mir schaute und sagte: „Du bist doch der Sohn von Krügers, hier in meine Gruppe!“ Nach einer längeren Zeit der Entfremdung von der evangelischen Kirche waren es dann Pfarrer Lemke und seine Frau Elsbeth, die mich wieder an die Kirche heranbrachten. Als meine Frau Ulrike und ich heiraten wollten, war klar, es sollte in der Britzer Dorfkirche geschehen, weil die eine so schöne Traukirche ist, und es sollte natürlich Pfarrer Lemke sein. Schon beim Traugespräch sind wir uns nahe gekommen und nach einer schönen Trauung durch Pfarrer Lemke sind meine Frau Ulrike und ich am nächsten Morgen gleich in die Blumhardt-Kirche gegangen, was Eugen Lemke als Besonderheit aufgefallen ist, denn frisch vermählte Paare kommen anscheinend selten am Morgen nach der Hochzeit in die Kirche. Wir sind dann viele Jahre sehr oft in der Kirche gewesen, meist gefolgt von einem Restaurantbesuch mit Eugen Lemke, seiner Frau Elsbeth und Tochter Sigrid. Wir konnten in dieser Zeit, den Jahren 1992 – 1995, einen kraftvollen Prediger kennen lernen, der die meisten Predigten frei hielt und immer nah an den Problemen der Menschen war. Besonders, wenn dann auch noch Sonne durch die Kirchenfenster auf unseren Pfarrer in seiner weißen Albe mit roten Stolen fiel, wenn er frei vor dem Altar predigte, war es ein erhebender Augenblick von Gottesgegenwart. Auch seine fortschrittliche Theologie hat mir als durchaus kirchenkritischem Menschen die Annäherung an die Kirche erst möglich gemacht. Mir ist in Erinnerung, dass Eugen Lemke z.B. immer von den Jüngerinnen und Jüngern gepredigt hat, denn er sagte, dass aus dem Geist des Evangeliums klar würde, dass Jesus viele Frauen um sich hatte und er kein Stückchen Chauvinismus an sich hatte, auch wenn die späteren Evangelisten bzw. Bearbeiter des Evangeliums die meisten Frauennamen wohl heraus gestrichen hätten.

Auch im Bibelgesprächskreis konnte Eugen Lemke viel von seinem Wissen über die Bibel und den Geist Gottes weitergeben. Mir persönlich am wichtigsten ist aber, dass Eugen Lemke mir nicht nur den Weg zur Kirche und schließlich auch in den Gemeindekirchenrat gewiesen hat, sondern vielmehr den Weg zu Gott finden ließ. Ich weiß von einer Reihe von Menschen in der Blumhardt-Gemeinde, dass auch für sie Pfarrer Lemke diesen Weg zu Gott gewiesen hat. Gibt es für einen Pfarrer einen besseren Erfolg?

In der Zeit, in der ich im Gemeindekirchenrat saß, wurde dann auch die Krankheit von Eugen Lemke offenbar. Die Erinnerung ließ ihn im Stich und die Verwirrung nahm immer mehr zu. Eine der letzten Amtshandlungen von Eugen Lemke waren die Taufe unseres Sohnes Robin und die Trauung seiner Tochter Sigrid. Danach konnte er nicht mehr Pfarrer sein. Als ich Eugen Lemke geholfen habe, sein Dienstzimmer auszuräumen, konnten wir die „Früchte“ seiner Arbeit sehen: Kistenweise Trauungsbilder und einen ganzen Schrank voller Notizbücher zu seinen Trauungen, Taufen und Beerdigungen. Auch Ordner voller Predigtnotizen. Eine erfüllte Dienstzeit ist 1997 nach 21 Jahren im Dienst für seine Kirche, seine Gemeinde, für Gott und die Menschen zu Ende gegangen. Die Gemeinde hätte sich und Eugen Lemke aber natürlich gewünscht, dass er bis zur Pension in aller Kraft und Klarheit hätte weiterpredigen können, um dann seinen wohlverdienten Ruhestand genießen zu können. Ab September 1997 musste Pfarrer Butzke die pfarramtlichen Dienste in der Blumhardt-Gemeinde übernehmen, da Pfarrer Lemke den Dienst nicht mehr wahrnehmen konnte. Im Dezember 1998 wurde Eugen Lemke offiziell aus seinem Amt als Pfarrer der Blumhardt-Gemeinde verabschiedet. Eugen Lemke ist inzwischen verstorben, bleibt aber seiner Gemeinde weiterhin in gutem Gedächtnis und in enger Verbundenheit. Ich persönlich vermisse Eugen Lemke als Pfarrer und als Freund. Besonders nach einem Gottesdienst, wenn man schon während des Orgelnachspiels die Kirche verlassen möchte, so wie wir es bei Eugen Lemke gewöhnt waren, wird mir dies deutlich und auch, wenn es ein anderes Ausgangslied als „Lob, Ehr und Preis sei Gott ...“ gibt. Die Tradition, dass sich die Gemeinde beim Vaterunser die Hand gibt, wurde ebenfalls von Eugen Lemke in der Blumhardt-Gemeinde eingeführt und erinnert immer an ihn.

Arne Krüger

Billy Butzke ( 1997 – 2002 ) - Theologe und Kirchenrechtler

Billy (Bernhard) Butzke wurde 1937 in Berlin geboren und verbrachte seine Jugend in Berlin-Schöneberg. Von 1957 bis 1963 studierte er in Berlin, Heidelberg und Cambridge (England) Theologie, Anglistik und Philosophie. Bevor Pfarrer Butzke zur Blumhardt-Gemeinde kam, waren seine beruflichen Stationen das Vikariat in Berlin-Schöneberg, Pfarrdienst in Berlin-Kreuzberg und bei der deutschen Gemeinde in Bristol. Es folgte der Pfarrdienst in Berlin-Rudow und nach dem Fall der Berliner Mauer war Billy Butzke in der Gefängnisseelsorge in Berlin- Lichtenberg tätig. Danach folgte ein übergemeindlicher Dienst für die Brandenburger Gemeinden südlich von Berlin. Seit dem September 1997 wurde Pfarrer Butzke mit der Krankheitsvertretung in der Blumhardt-Gemeinde betraut. Schon in der Dezembersitzung des Gemeindekirchenrates war klar, dass Pfarrer Lemke wohl nicht in seinen Dienst zurückkommen würde und dass Pfarrer Butzke mittelfristig unser Pfarrer sein würde. Ich habe Billy Butzke als guten Organisator kennen gelernt und seine präzisen Kenntnisse im kirchlichen Haushaltsrecht waren genau zum richtigen Zeitpunkt in der Gemeinde vonnöten. Mit der Unterstützung von Pfarrer Butzke konnten in der Gemeinde viele Umbauten durchgeführt werden, so wurde der Spielplatz der Eltern-Kind-Gruppe in den ehemaligen Pfarrgarten verlegt und auch im Haus konnten viele Umbauarbeiten und Renovierungen durchgeführt werden. Pfarrer Butzke hat sein Pfarramt immer in erster Linie an der Gemeinde orientiert und hatte keine Hemmungen, sich dabei mit den Nachbargemeinden, dem Kirchenkreis und der Kirchenleitung anzulegen.

Denn die Kirche lebt in erster Linie in den Gemeinden und auf die Gemeinden kommt es an. Mit Pfarrer Butzke konnte man sich auch gut streiten, aber nach einem Streit sind wir immer wieder zusammen gekommen und es hat die Gemeinde letztendlich voran gebracht. Er hat seine Begeisterung für Fußball und für alles Englische in die Gemeinde eingebracht und sogar Gemeindereisen nach England organisiert. Nur seine Begeisterung fürs Rauchen fand in der Gemeinde nicht den entsprechenden Anklang und so hat der Gemeindekirchenrat kurioserweise gerade in der Amtszeit von Pfarrer Butzke auch das Rauchverbot im Gemeindehaus beschlossen. Vielleicht aber auch gerade deshalb. Denn auch auf diesem Gebiet hat Billy Butzke, so wie es seine Art war (und - seien wir doch einmal ehrlich, wie wir es auch gar nicht anders erwartet haben) mit der ihm eigenen Verve seine Ansichten vertreten.

Nachdem die verbliebene halbe Pfarrstelle mit Pfarrerin Pia Luise Rübenach besetzt worden war, hat sich Pfarrer Butzke weiterhin in der Gemeinde eingebracht und auch nach dem Erreichen des Ruhestandes im Jahr 2002 weiterhin engagiert, bis ihm sein Schlaganfall dies unmöglich machte.

Arne Krüger

Billy Butzke – unterhaltsamer Pfarrer

Heute heißt das Entertainer. Billy liebte Publikum. Und möglichst Publikum, das ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmete. Deshalb ist er vielleicht auch Pfarrer geworden – neben seiner Liebe zur Theologie. Er war gerne in direktem Augenkontakt mit der Gemeinde und benutzte deshalb auch selten schriftliche Unterlagen. Es konnte während der Predigt passieren, dass er ein bekanntes Gesicht auswählte und die Person mit in seine Überlegungen einbezog. Als Entertainer war Billy unschlagbar. Schon als Student verdiente er sich sein Taschengeld als Reiseleiter, bzw. Berlinführer bei Stadtrundfahrten, zu Zeiten, als noch besonders viele Schülergruppen nach Berlin kamen. Manches erklärte er in künstlerischer Freiheit – es konnte ja meistens nicht nachgeprüft werden. Einige Kirchen bekamen so neue Namen, wie etwa St. Judas. Und rechts sah man eben das, was man links nicht sah. Hauptsache, es war witzig und unterhaltsam. Während einer Jugendleitertagung lieferte er sich ein so heftiges Rededuell mit einem Kollegen, dass der Moderator die Sitzung unterbrach und die beiden nach draußen schickte. Dabei machte er nicht nur durch seine gelben Socken, sondern vor allem durch seine Redegewandtheit auf mich Eindruck. Eine interessante Episode geschah während unserer Verlobungszeit: Billy diskutierte mit mir eine komplizierte theologische Frage. Ich erlaubte mir dabei an meinem Strickzeug weiter zu stricken. Kurzerhand schmiss er das störende Objekt vom Balkon (wir wohnten Parterre). In den Jahren unserer Englandzeit tat Billy sich besonders dadurch hervor, dass er hervorragend gleichzeitig zweisprachig predigen konnte: zwei oder drei Sätze auf Englisch, danach sofort die deutsche Übersetzung. Viel später zeigte er sein unterhaltsames Talent, als er am Klavier – improvisierend ohne Noten – in der Blumhardt-Band auftrat. Dass Billy auch begeisterter Sportler war, verhalf ihm über lange Jahre zu einem schlanken und jugendlichen Aussehen.

Fußball war neben Tennis und Skilaufen seine größte Leidenschaft. Vieles ändert sich mit der vergehenden Zeit – auch das Aussehen! Gemeindebezogen „zuhause“ gefühlt aber hat sich Billy in seinen letzten Jahren, besonders nach seinem schweren Schlaganfall, der u.a. mit dem Verlust der Sprache einherging , tatsächlich in „seiner“ Blumhardt-Gemeinde. Sie – die JCB-Gemeinde - hat auch in wunderbarer Weise Abschied von ihm genommen: der Entertainer Billy erhielt einen Dankgottesdienst und keinen Trauergottesdienst.

Christine Butzke

Pia Luise Rübenach ( Pfarrerin seit 2000 ) – Pastorin, Pädagogin und Mutter

Frisch, fromm, fröhlich, frei und meist guter Laune. So, oder so ähnlich könnte man unsere Pfarrerin beschreiben. Aber das ist natürlich bei Weitem nicht alles, was sie kennzeichnet. Angefangen hat sie in Blumhardt am 12. März 2000. Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde Pfarrerin Pia Luise Rübenach als Nachfolgerin von Pfarrer Eugen Lemke eingeführt. Es war sicher keine leichte Aufgabe, eine Gemeinde zu übernehmen, die lange von einem so prägenden und beliebten Pfarrer geführt wurde, wie es Eugen Lemke war. Aber mit ihrer frischen und unkomplizierten Art meisterte sie die Herausforderungen und brachte neue Aspekte in die Gemeinde. Zwei davon hießen Fee und Philippa, ihre Töchter, und Karlotta folgte bald. Nebenbei unterrichtet sie als Religionslehrerin in der Grundschule am Regenweiher, denn in Blumhardt hatte und hat sie bis heute nur eine halbe Pfarrstelle. Die Halbtagspfarrstelle ist natürlich eine Mogelpackung: Allein die Verwaltungsaufgaben in der Gemeinde, die vielen Sitzungen in verschiedenen Gremien und die Amtshandlungen füllen den halben Tag eigentlich schon aus. Hinzu kommen aber noch die Gottesdienste, der Konfirmandenunterricht, besondere Veranstaltungen, viele Gespräche und und und . . .

Nun wäre Pia Luise Rübenach nicht Pia Luise Rübenach, wenn sie sich davon schrecken ließe. Aus der Eltern-Kind- Gruppe wurde eine elterngerechtere Kindertagesstätte gemacht und auch sonst blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Ihre besondere Vorliebe und ihre Begabung für Kinder- und Jugendarbeit und wohl auch die Verbindung zur Schule brachten frischen Wind in den Konfirmationsunterricht und konstante Konfirmandenzahlen.

Zur weiteren Verjüngung der Gemeinde trug ihre vierte Tochter Fanny bei, die im August 2008 geboren wurde. Manchmal fragt man sich: Wie schafft sie das eigentlich alles? Aber irgendwie bekommt sie das immer wieder hin. Und wenn sie dann am Sonntag vor dem Altar steht und die Gemeinde mit ihrem Lächeln und dem obligatorischen „Herzlich willkommen zum Gottesdienst...“ begrüßt, dann wissen alle, warum sich die Gemeinde vor nun über 14 Jahren für Pia Luise Rübenach entschieden hat.

Bernd Nowack